Ich will nicht gehen!

Spätestens heute muss ich es wohl oder übel einsehen, die Tatsache, die zwar irgendwie immer vorhanden war, ich mich aber konstant weigerte sie wahrzunehmen: Das Ende naht.

Heute bleibt mir noch genau ein Monat und ich weiß überhaupt nicht, wie ich alles hier einfach zurücklassen soll! Eigentlich bin ich doch gerade erst angekommen! Zumindest fühlt es sich so an. Alles wandelt sich irgendwie wieder hin zu dem Tag an dem ich hier landete, die Luft ist staubig, die Sonne brennt erbarmungslos vom Himmel, und so sehr ich mir doch zwischendurch wünsche, es möge ein paar Grad abkühlen, umso mehr weiß ich jedoch, dass ich in einem Monat schwermütig den Erinnerungen an das heiße Skopje nachhänge, wenn sich dann im September das Herbstwetter wieder über Deutschland hermacht.

Jeden Tag wird mir nun deutlicher bewusst, wie viele Sachen ich vermissen werde. Dinge, die einst so fremd waren, sind jetzt vollkommen natürlich, die Fremdheit ist zum Alltag geworden.

Wie werde ich das vermissen! Am meisten wahrscheinlich die Kinder, ist mir doch schon bitter bewusst geworden, dass ich nicht erleben werde, wie die neuen Erstklässler lesen lernen, Freunde, Kollegen, Menschen von denen ich mich früher oder später verabschieden muss auf ein hoffentlich baldiges, aber noch undefiniertes Wiedersehen. Die achso fremde Sprache, die mir inzwischen so flüssig über die Zunge geht, das Essen, die Märkte, das bunte Pferdegeschirr der Zugtiere von so manchem Gefährt, Pferdekarren auf der Hauptstraße, wildes Gedränge auf Plätzen und Straßen, Kinder, die einem auf dem Weg zur Arbeit schon in die Arme fallen, die Musik, die jetzt im Sommer aus geöffneten Fenstern und Türen klingt, ja wahrscheinlich sogar den Turbofolk den so mancher Busfahrer hört. Busse durch Winken mitten auf der Straße anhalten, und ja, auch wenn ich das manchmal nicht so recht zugeben will, ab und zu einmal die Ausländerkarte spielen um sich unangenehmen Situationen zu entwinden. Die Cafes, die Süßwarenläden, den Park, mein Dach, englisches Fernsehen nur mit Untertiteln, mieserabel synchronisierte türkische Serien, ohne Sonnencreme und Sonnenbrille das Haus verlassen undenkbar, Hahnenwasser bestellen normal, Wasserflasche an öffentlichen Trinkbrunnen auffüllen. Bojler einschalten vorm Duschen, sonst kein warmes Wasser, die klemmende Waschmaschinentür.

Noch immer schiebe ich die Wahrheit vor mir her, will es nicht wahrhaben, doch bald steht meine Nachfolgerin vor der Tür.

Nochmal alles bis zum allerletzten Moment ausnutzen und schonmal Pläne für das Wiederkommen schmieden.

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